Buchpreis 2021

Von Gartenzimmern und Zaubergärten. Aufbau Verlag, Berlin 2020.

Helga Schütz’ literarische Gartengänge sind nicht in lange Opulenzen gepackt, sondern hingetupfte Erinnerungen, Blicke, botanisches Wissen mit Erleben verschränkt, impressionistische Ranken aus präziser Pflanzenexpertise und Kulturgeschichte, es findet sich der große philosophische Gedanke neben der kleinen gärtnerischen Anekdote. Der Magnolienausflug sei hier nur exemplarisch genannt für die flanierende Textbewegung, die in jedem Kapitel erneut aufgenommen wird, und die in die Garten- und Kulturgeschichte ebenso führt wie in die eigene Biografie. So landen wir etwa eines schönen Frühlingmorgens in Dresden, zum Spaziergang zwischen gelben Winterlingen und hellvioletten Krokussen. Es ist eines der längeren Kapitel, in denen Helga Schütz vom Großen Garten der Sachsenkönige ausgehend in ihre Jugend reist, in die Trümmer der Stadt, in der sie 1944 mit sieben Jahren gekommen ist, nachdem sie ihren Geburtsort Falkenhain in Schlesien verlassen musste, umgesiedelt wurde, zu ihren Großeltern in Dresden, wo sie aufwuchs. Sie absolvierte eine Gärtnerlehre und arbeitete als Landschaftsgärtnerin, studierte in Potsdam und schließlich an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Babelsberg. Unzählige Drehbücher schrieb sie, seltener führte sie auch Regie, und immer wieder konnte man Prosawerke von ihr lesen – zuletzt den Roman „Sepia“ oder die Großerzählung „Die Kirschdiebin“. Vielfach wurde sie ausgezeichnet, zuletzt von der DEFA-Stiftung für ihr künstlerisches Lebenswerk und von der Stadt Potsdam mit der Ehrenbürgerinnenwürde.

Helga Schütz nach ihrer Lesung im Gespräch mit Katrin Schumacher und Steffen Wittkowske

Eine Frau die schreibt, braucht einen Raum für sich allein. Bei Helga Schütz ist es das Gartenzimmer, früher ein ordentlicher Wintergarten, heute ihr von einem starken Besen rein gehaltener und verwunschener Raum, mit Ofenbank und Apfelstiegen, Katerkissen und Blick in den Taxus. In dieses Geviert führt sie uns, um uns sofort wieder hinauszuführen in die Zaubergärten ihres Lebens: die Staudengärtnerei in Bornim bei Potsdam, zu anatolischen Krokuswiesen und in Rotbuchenwälder, nach Dresden im Frühling, in den Park von Sanssouci, an den Fuß der Pergola des Schlosses Charlottenhof. Es ist das Zauberwort, das sie immer wieder trifft: sei es Plumbago, Agapanthus, Primola, Magnolia x soulangeana… aus seiner Anrufung erheben sich die Geschichten, welche die leidenschaftliche Gärtnerin und Gartenbeobachterin uns in vierundzwanzig kleinen Kapiteln serviert.

„Jeder Baumliebhaber,“ schreibt Helga Schütz etwa, „jeder Mensch kennt irgendwo in einem Park oder im Garten der Nachbarschaft eine Magnolie, mit der er sich schon über Jahre hin in Freundschaft verbunden fühlt. (…) Es gibt Magnolien-Jahre, da stehen die Blüten des Baumes wochenlang gegen einen kühlen blauen Weltraumhimmel.“ Mit dieser Beobachtung (wie wahr!) führt ein fünfeinhalb Seiten langes Kapitel in die Welt der Magnolie. Wir lernen den riesigen und bildschönen Baum kennen, der seit 1854 im Sanssoucier Park steht und die Autorin immer wieder zu einem Spaziergang dorthin animiert, einer Wallfahrt gleich, bis sie vom freundlichen rotbärtigen Gärtner einen Sprössling angeboten bekommt. Wir steigen in die Herkunfts- und Wirkungsgeschichte dieses von manchen auch Tulpenbaum genannten Gehölzes. Vor 300 Jahren erst ist die Magnolie nach Europa gekommen, aus ihrer nacheiszeitlichen Heimatregion Nordamerika. Wussten wir bereits, dass die Magnolie in der Küche Verwendung findet? Dass ihre gekochten oder gegrillten Knospen wie Gemüse gegessen werden können? Dass Schränke und Türen aus ihrem Holz gebaut werden? Kaum wissen wir es durch diesen Text kehren wir heim vom Ausflug, zurück in Helga Schütz’ Gartenzimmer, zu einer winzigen Sternmagnolie, die dort irgendwann einmal ein großes Blütenmeer entfalten wird: „Dermaleinst, in Ururenkelzeiten.“

Der Gartenbuchpreis der DGG geht hier an ein Erzählwerk, das in vielfältiger Weise die Natur betrachtet und bewundert. Das mitnimmt in ein Beziehungsgeflecht zwischen Mensch und Gewächs, und das große verzauberte Staunen zurückbringt. Ein schönes Buch im besten und vor allem für alle Sinne: die Gestaltung und Illustration durch den Künstler Nils Hoff macht „Von Gartenzimmern und Zaubergärten“ zu einem bibliophilen Schatz. Sein feiner Strich lässt orangerote Füchse durch den Waldgarten schnüren und den legendären Gartenpionier Karl Foerster sommerlich zwischen blauen Blumen und Tagfaltern stehen, dort schaut ein Kauz zwischen den Seiten hervor, hier liegen die Ernten des Sommers, von Holunderdolde bis Quitte. Text und Bild harmonieren auf feinherbe Weise, bauen Räume, in denen man nicht allein bleibt, sondern in denen es summt und wächst, in denen immer wieder – kaum anders ist es zu sagen – das Zauberwort getroffen wird. (KS)

Buchpreis 2021:

Helga Schütz

Von Gartenzimmern und Zaubergärten

Aufbau – Verlag, Berlin

ISBN 978-3-351-03475-7

22 €

TOP 5:

Safran – Das rote Gold. Anbau, Geschichte, Handel, Rezepte • Alles über die Safranpflanze.

Sieben Zutaten sind im Kinderlied „Backe, backe Kuchen …“ für einen guten Kuchen aufgezählt. Die siebente Zutat ist Safran. Safran macht den Kuchen gehl, also gelb. Bereits 1450 findet sich in einem Kochbuch die Urform des Textes. Safran war zu dieser Zeit offensichtlich eine bekannte Zutat, was schon etwas verwundert, wenn man sieht, wie rar und teuer Safran auch heute noch ist. Das Buch von Sandra und Urs Durrer enthält auch Rezepte. Zuallererst aber ist es ein allseitiges und tiefgründiges Porträt von Crocus sativus. Es ist faszinierend, was sich an Geschichten und Besonderheiten um diese Pflanze rankt. Schon die Entstehung ist ein Glücksfall, handelt es sich doch nicht um eine Züchtung, sondern um eine driploide Mutation von Crocus cartwrightianus, die vor rund viertausend Jahren entdeckt wurde und seitdem vegetativ weitervermehrt wurde. Die Autoren haben akribisch alle Facetten des Safrans betrachtet, über die Botanik, die Geschichte, den Handel, die Verwendung in Medizin und Körperpflege, die Mythen bis zum heutigen Anbau in der Welt, der Safrankultur und -verarbeitung und der Qualität. Sie haben Safrananbauer und Köche in der Schweiz, Österreich, Deutschland und Südtirol besucht, porträtiert und Safranrezepte mitgebracht. Rund 180 Quellen wurden verarbeitet. Damit ist ein überaus faktenreiches Buch entstanden.

Und es ist spannend. Zum Beispiel, wenn man liest, dass im 16. Jahrhundert um Altenburg, im Leipziger Raum und zwischen Meißen und Dresden größere Safranfelder existierten. Safran wurde schon in der Antike zum Färben von Textilien und bis in das Mittelalter auch zum Imitieren von Goldschriften verwendet. Und weil Safran so extrem teuer war, wurde es auch gefälscht. Man erfährt dazu, dass die Strafen drastisch waren. Manche Fälscher wurden zusammen mit dem gefälschten Safran verbrannt.

Die Autoren geben nicht nur der Historie, sondern auch dem Hier und Heute gebührenden Platz. Die Nachfrage nach Safran wächst stetig und so auch der Anbau. 90 Prozent Marktanteil entfällt auf den Iran. In Deutschland ist Safran eine absolute Nischenkultur. In der Pfalz, in Franken, in Sachsen und Thüringen gibt es Pioniere, die sich erfolgreich der Kultur verschrieben haben. Mit diesen Beispielen ist die Vielseitigkeit des Buches nur anzudeuten, entdecken muss man sie beim Lesen.

Vier Anbauer, die die Autoren im deutschsprachigen Raum besucht haben, werden in Porträts vorgestellt. Auf unterschiedliche Weise sind sie mit Safran in Berührung gekommen, unterschiedlich ist ihr Herangehen bei der Verarbeitung und Vermarktung. Gleich ist der Enthusiasmus, mit dem sie sich dem Safran widmen.

Ebenso anregend sind die Porträts der zwei Köchinnen und drei Köche mit ihren Rezepten rund um den Safran.

Das Buch von Sandra und Urs Durrer ist, was den Safran betrifft, Lexikon, Geschichts-, Garten- und Kochbuch zugleich. Neben ausgezeichneten Fotos geben historische Abbildungen die passende Ergänzung zur Lektüre, wie auch die gesamte Aufmachung mit klassischer Heftung, Lesebändchen, kräftigem Papier und farblich differenzierten Seiten zum Beispiel für die Porträts einen hochwertigen Eindruck vermittelt. Wer sich auf literarische Entdeckungsreise zum Safran begeben möchte, dem sei es dringend empfohlen. (IH)

Sandra und Urs Durrer

Safran –Das rote Gold. Anbau, Geschichte, Handel, Rezepte – Alles über die Safranpflanze

AT Verlag

ISBN 978-3-03902-080-5

39,90 €

Leidenschaft für Schönheit. Gartenträume in Sachsen-Anhalt

Im Jahr 2000 begannen die ersten Planungs- und Sanierungsarbeiten zu den Gartenträumen, bis nach unnachahmlichen Kraftanstrengungen bereits im Jahr 2006 das landesweite Netzwerk von damals 40 historischen Gärten für Besucher eröffnet wurde. Es galt in dieser Zeit, eine anspruchsvolle und abwechslungsreiche Gartengeschichte vom Barock bis zum 21. Jahrhundert für Reisende zu entwickeln, Eigentümer, Denkmalpfleger, Engagierte oder Verwalter in einer Sprache zusammen zu bringen, die unterschiedlichen Landschaften Sachsen-Anhalts historisch mit den beispielhaften Gärten zu verknüpfen, denkmalpflegerische Rahmenpläne zu erarbeiten, Förderer und Unterstützer unterschiedlichster Art zu binden, millionenschwere Sanierungsmaßnahmen aus verschiedenen Förderinstrumentarien umzusetzen oder am Ende ein hochwertiges kulturtouristisches Themenmarketing zu erarbeiten. Die Gartenträume, in einer Zeit gesellschaftlich-politischer Depression als visionärer Mutmacher erträumt, wurde im Laufe der Jahre zu einem bundesweiten, ja internationalen Modellvorhaben kultureller Identität und breiter gesellschaftlicher Gartenbegeisterung. Aus Anlass des zwanzigjährigen Ideenstarts legen der Verlag Stekovics, das Museum Schloss Wernigerode mit seinem Direktor Christian Juranek und der Fotograf Janos Stekovics einen opulenten Bildband vor, der uns eintauchen lässt in die Themenvielfalt der Gärten Sachsen-Anhalts.

Der Band ist edel ausgestattet, schon haptisch beim ersten Schauen und Begreifen ein Genuss. Das Umschlagfoto, der Halbleineneinband, die beiden Lesebändchen und die goldenen Schriftlettern laden ein und machen Lust auf das Buch. Wer den ungarnstämmigen Fotografen Janos Stekovics kennt, wird wissen, dass dies erst der Anfang eines sinnlichen Feuerwerks sein wird. Der Bildband prahlt mit hunderten und aberhunderten Fotos, für Gartenanlagen im Gegensatz zu manchen Büchern Stekovics in strahlenden Farben. Es sind viele mittelgroße Detaildarstellungen dabei, von Pflanzen, Gartennischen oder Gebäudeteilen. Die vielen ganzseitigen Fotos machen dann aber den überbordenden sinnlichen Eindruck des Bildbandes zu einem großartigen Gesamtkunstwerk. Weite Landschaften, spiegelnde Naturschauspiele in Seen, winzige Details aus den Gartenkunstwerken, Luftaufnahmen von Gesamtanlagen und Gestaltungselementen oder verzerrte bzw. vergrößernde Perspektiven – es läuft einem das gartenkünstlerische Herz über vor so viel barocker und sinnlicher Pracht.

Die Begeisterung des Fotografen springt auf den Leser über, ob er nun Gartenexperte ist oder auch nur Gartenliebhaber. Wer hier kalt bleibt, dem kann kein Buch und kein Garten mehr beglücken. Allein die Texte, insbesondere die Einleitungstexte zu den einzelnen Parks, hätten sich an dem Enthusiasmus des Fotografen orientieren sollen sowie ein wenig in die individuelle Tiefe des jeweiligen Gartens eintauchen können – Platz wäre vorhanden gewesen. Nichtsdestotrotz liegt uns hier ein leidenschaftliches Buch zu einem leidenschaftlichen Thema vor, das auf jeden Tisch zumindest jeder mitteldeutschen Familie gehört. (CA)

Christian Juranek (Herausgeber) in Verbindung mit Heike Tenzer, Katrin Dziekan, Felicitas Remmert, Stephanie Elgert und Janos Stekovics (Fotos):

Leidenschaft für Schönheit. Gartenträume in Sachsen-Anhalt.

Verlag Janos Stekovics

ISBN 978-3-89923-424-4 35 €

35 €

Matsch & Möhren. Mit Kindern den Garten entdecken.

Bärbel Oftring zeigt praxisnah und anschaulich, wie Kinder mit Spiel und Spaß den Garten entdecken können. Von der Aussaat auf der Fensterbank bis zur Verarbeitung in leichtverständlichen Rezepten erfahren Kinder, wie naturnahes Gärtnern funktioniert. Die vielfältigen Rezepte und Bastelanleitungen bieten nützliche Tipps für das Aktivwerden im Garten mit Kindern.

Bärbel Oftring erzählt vom Gärtnern mit Kindern. 

Besonderer Fokus dabei: Gärtnern im Einklang mit der Natur. Mit jahreszeitabhängigen Pflanztipps lernen Kinder, welche Aufgaben wann im Garten zu erledigen sind und die zahlreichen Bastelanleitungen zeigen spielerisch, wie der Garten auch für Vögel und Insekten lebenswert gemacht werden kann. Ein Exkurs zum Thema Boden bietet nützliches Wissen darüber, wie ein lebendiger Pflanzboden als gesunde Basis für nachhaltiges Gärtnern befördert werden kann. Ein Überblick über die Gesänge der verschiedenen Gartenvögel hilft beim Identifizieren der verschiedenen Vogelarten und die Antworten auf die Frage „Was wünschen sich Vögel im Garten?“ bieten hilfreiche Tipps für einen vogelfreundlichen Garten.

Das Buch ist abwechslungsreich gestaltet und durch anschauliche Fotos auch für die Jüngeren verständlich. Die leicht umsetzbaren und gut erklärten Experimente bieten eine großartige Möglichkeit zur spielerischen Annäherung an biologische Prozesse im Garten. Überblicksdarstellungen zu verschiedenen Pflanzenarten und deren Struktur vermitteln darüber hinaus auch tiefergehendes Wissen über die Pflanzenwelt. Praktischerweise enthält das Buch ein Glossar, was das Suchen und Finden im Buch vereinfacht.

Kurz: Ein wirklich gelungenes Erkundungsbuch, das Kindern nicht nur nachhaltiges Gärtnern vermittelt, sondern dabei auch zu Spiel und Kreativität anregt. Kindern Zeit im Garten zu geben, macht Groß und Klein gleichermaßen glücklich – so lautet die Botschaft bzw. das Versprechen dieses Buches, das Eltern mit Kindern im „Matsch“-Spielalter unbedingt zu empfehlen ist. (US)

Bärbel Oftring

Matsch & Möhren. Mit Kindern den Garten entdecken

Kosmos Verlag

ISBN 978-344016-877-6

17 €

Heimische Wildstauden im Garten. Attraktiv und naturnah gestalten.

Eine der vielen schönen Seiten eines eigenen Gartens ist, dass man selbst auswählen kann, welche Pflanzen darin wachsen sollen. Bisher lag der Fokus vor allem auf gezüchteten und aus fernen Ländern stammenden „Garten“Pflanzen, die das Gärtnerherz höherschlagen ließen. Das katastrophale Sterben der Insekten in den letzten Jahrzehnten hat jedoch die Bedeutung der heimischen Wildpflanzen sichtbar gemacht – und weil sie nicht nur ökologisch wertvoll, robust und pflegeleicht sind, sondern zudem auch den natürlichen Charme von Heimat ausstrahlen, finden sie zunehmend Eingang in unsere Gärten, die immerhin mehr Fläche einnehmen als alle Naturschutzgebiete zusammen.

Peter Steiger, Garten- und Landschaftsarchitekt im Schweizerischen Umland Basels, hat sich den heimischen Wildstauden, also den mehrjährigen unter den heimischen Pflanzen, angenommen. Er gestaltet naturnahe Gärten mit artenreichen Bepflanzungen aus Wildstauden – und wählt diese stets in Übereinstimmung mit den jeweiligen Standortbedingungen der Gärten in Deutschland, Frankreich, Liechtenstein und der Schweiz aus. Denn auch dies gehört zum Gärtnern mit heimischen Wildstauden: Die Kenntnis, an welche Lebensbedingungen in Bezug auf Klima, Boden, Licht, Nährstoffe, Feuchtigkeit usw. die einzelnen Pflanzenarten angepasst sind. Dort gedeihen sie und entwickeln sich am besten, dort entfalten sie ihre natürliche Schönheit – das hat der Autor in „seinen“ Gärten und in der Natur reichlich beobachtet und erfahren … und all diese Erfahrungen sind auf vorbildliche Weise in dieses Buch bis ins letzte Detail eingeflossen.

Im ersten Kapitel stellt der Autor auf rund 50 Seiten verschiedene hiesige Lebensräume und die darin vorkommenden Wildpflanzen vor – und er benennt im gleichen Atemzug ökologisch vergleichbare Gartenstandorte. So ähneln sich etwa die Lebensbedingungen auf einem extensiv begrünten Dach mit denen auf flachgründigen, stark austrocknenden Felsgrusfluren, wo natürlicherweise Mauerpfeffer und Hauswurz wachsen. Und die für sonnig-humose Staudenrabatte geeigneten Wildpflanzen wie Großblütiger Fingerhut, Kleines Mädesüß, Skabiosen-Flockenblume und Nesselblättrige Glockenblume findet der Autor natürlicherweise in den Saumgesellschaften am sonnigen Waldrand und auf Wiesen. So erwachsen aus dieser Beobachtung vergleichbarer Standorte in der Natur und im Garten konkrete Vorschläge für passende Wildstauden sowie beispielhafte Pflanzpläne für Pflanzengesellschaften, denn eine heimische Wildstaudenart wächst ja niemals allein draußen in der Natur. Spannenderweise eröffnet sich dem Leser beim Studieren dieses Kapitels noch eine weitere Dimension: Vor dem inneren Auge beginnt man Lebensräume in der Umgebung mit ihren typischen Pflanzen wahrzunehmen und gleichzeitig die verschiedenen Standorte im eigenen Garten – wo decken sie sich? Schließlich war und ist der Garten ja auch ein Teil der heimischen Natur. „Wild gardening“ nennt das der Autor.

Das zweite Kapitel ist der Hauptteil des Buches – dort stellt der Autor 138 besonders schöne und bewährte Wildstauden im Porträt vor, geordnet nach elf verschiedenen Gartenstandorten. Berg-Lauch, Ästige Graslilie, Gold-Aster, Kartäuser-Nelke, Gemeines Sonnenröschen und viele schöne weitere Wildstauden empfiehlt der Autor für trockenheiße Kiesstandorte – und gibt damit eine bunte Perspektive für unsere zukünftigen Gärten in Zeiten des Klimawandels. Weiter geht es im Buch mit Pflanzen für extensive Dachbegrünung – Berg-Gamander und Feld-Thymian gehören dazu und ihr Duft steigt mir sofort in die Nase –, für trockensonnige, nährstoffreiche Ruderalflächen (Färber-Hundskamille und Gemeiner Natternkopf sind zwei unter vielen Wildstauden), für sonnig-humose Staudenrabatten, für den halbschattigen Saum von Sträuchern bis zu Schatten- und Feuchtstandorten am Gartenteich. Der Autor beschreibt jede heimische Wildstaude auf einer halben Buchseite mit Bild, botanischen Merkmalen wie Aussehen, Wuchshöhe, Blütezeit, Vorkommen und Ökologie, er benennt die Verwendung im Garten und verwandte Arten sowie mit welchen Pflanzen diese jeweils gut zu kombinieren ist. In diese Porträts fließen auch die reichlichen Erfahrungen des Autors ein, etwa, wenn er erwähnt, welche Faktoren dazu führen, dass eine Pflanze kümmert oder nicht blühen will.

Das dritte, 24 Seiten umfassende Kapitel – Service genannt – bietet neben Glossar, Bezugsquellen, Literatur und Register tatsächlich noch ein ganz besonderes Angebot: Für jeden der elf Gartenstandorte gibt es eine übersichtliche, farbige Grafik, die den jahreszeitlichen Vegetationszyklus der dazugehörigen Wildstauden mit Blühzeiten, Blüten- und Laubfarben, Duft und Blattaroma aufzeigt – und sofort sieht man den gestalteten Gartenteil mit einem Blick im Frühling, Sommer, Herbst und Winter vor sich. Großartig!

Fazit: Ein Gartenbuch, wie man es sich nur wünschen kann – ein kompetenter Autor, der sein Thema Wildstauden perfekt in ein Buch umgesetzt hat! Bitte mehr davon! (BO)

Peter Steiger

Heimische Wildstauden im Garten

Ulmer Verlag

ISBN: 978-3-8186-0718-0

29,95 €

Gartenkunst für Kinder. Geschichte(n), Gärten, Pflanzen und Experimente.

Für Kinder gemachte Bücher zur Gartenkunst der Welt auf dem deutschsprachigen Buchmarkt zu finden, war bisher fast nicht möglich. 2020 legt Inken Formann von der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen für diese Zielgruppe ein Nachschlagewerk „Gartenkunst für Kinder – Geschichten(n), Gärten, Pflanzen und Experimente“ vor, das sich genau damit beschäftigt.

Im Weimarer VDG Verlag erschienen, werden sehr unterschiedliche Gärten aus verschiedenen Zeiten unter „die Lupe“ genommen und als kulturelle Zeugnisse der Menschheit präsentiert.

Das 400 Seiten umfassende Werk der promovierten Landschaftsarchitektin zu insgesamt 230 Gärten in 24 Ländern und mehr als 170 darin vorgestellten Pflanzen kommt durchaus „schwer“ daher: Mit fast 1.300 g Gewicht, versehen mit Zeichnungen von Sebastian Kempe und Katrin Felder, ausgestattet mit Hardcover, layoutet in Zusammenarbeit mit Sigrid Steidl, dem Verlag und dem Studio KOKURI, verarbeitet mit Fadenheftung und Lesebändchen mit -zeichen und gedruckt auf hochwertigem Papier bei den Beltz Grafischen Betrieben im thüringischen Bad Langensalza, ist es ein purer Nachschlage- und Lese-Schatz für junge Garten-Begeisterte – und mitlesende Erwachsene gleich welchen Alters.

Ansprechend und didaktisch klug aufbereitet, lädt dieser besondere Titel, dessen Entstehen durch das Land Hessen und die Herbert-Heise-Stiftung für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur und mit Unterstützung weiterer Institutionen und Personen ermöglicht wurde, Heranwachsende zur Begegnung mit Gärten weltweit ein. Die Lektüre zeigt, Gärten sind Orte, an denen sich Menschen gern aufhalten und in denen es viel zu lernen und zu entdecken gibt. Gärten und Gartenkunst werden im Wandel der Zeiten, in Epochen und Erscheinungsformen und über Jahrtausende hinweg präsentiert und exemplarisch dargestellt.

Dieses Buch zeigt facettenreich, dass Gärten mehr als kulturelle Erbstücke der Vorfahren sind, Gärten stellen auch gebaute Lebensqualität dar. Gärtnern in diesem Sinne ist dabei vielmehr als der Versuch des Menschen, die Natur auf wenigen Quadratmetern innerhalb eines abgeschlossenen Raums, meist hinter Zäunen und Mauern, zu domestizieren und sich an ihrer Schönheit zu erfreuen. Auf den Buchseiten geht es um die Einzigartigkeit und Vielfalt der Gestaltung von Gärten und ihre Geschichte(n). Gärtnern im Sinne dieses Werkes versteht sich als Einladung zum nachhaltigen Umgehen mit Natur, als Ansporn, spannende Gartenentdeckungen zu machen. Zu den Gärten der Welt werden zahlreiche Informationen in einfacher Sprache und chronologischer Reihenfolge angeboten. Eine Gliederung und Farbcodes dienen der Orientierung und Lesbarkeit. Die Kapitel und Seiten werden mit Einladungen an die Lesenden zum Mitmachen, mit Zitaten, Hintergrunderläuterungen und Begriffsklärungen angereichert. Die Bildsprache begleitet angemessen: Gärten werden als Raumkunstwerke unter verschiedenen gesellschaftlichen Vorzeichen, aber auch als Orte für den Anbau, die Pflege von Pflanzen und den Erhalt der Biodiversität, als Lebensräume von Tieren, als Ökosysteme, aber auch als Arbeitsplätze und Lernorte für Menschen, sowie Stätten der Muße, der Begegnung und für Spiel und Sport, dargestellt.

Einige Seiten bieten zudem Informationen zu Berufsbildern rund um den Garten, auch Beispiele für Pflanzpläne fehlen nicht. Lesende und Schauende werden mit Geschichte(n), Spielen und Küchenrezepten angeregt und zu Experimenten angeleitet.

Über viele Querverweise lässt sich über die dargestellten Inhalte und thematisch vor- und zurückspringen, ohne das Ganze gelesen zu haben. Zu einigen Themen stehen im Internet Erklärvideos bereit. Die animierten Comicstrips laufen im YouTube-Account „schloesserundgaertenhessen“.

Eine Besonderheit sei ergänzend und positiv erwähnt: Das Buch leistet einen Bildungsbeitrag zur Vermittlung von Wissen über das Welterbe. Dies ist eine der zentralen Aufgaben, zu denen sich alle Vertragsstaaten der Welterbekonvention von 1972 verpflichtet haben. Ein Pflanzen- und Personenregister und eine Zusammenstellung der im Text erwähnten Orte sowie eine Übersicht wichtiger Fachbegriffe und Themen runden die lehrreiche Darstellung ab.

Es ist diesem besonderen Buch zu wünschen, dass es eine große Zahl von jüngsten und jung gebliebenen Garteninteressierten zum Nachlesen und Mitmachen, zum Staunen und Lernen, zum Reisen und Entdecken, einladen kann. (SW)

Inken Formann

Gartenkunst für Kinder

VDG Weimar

ISBN: 978-3-89739-937-2

28 €

Christiane Jacquat freut sich über den Buchpreis 2020. 
Sonja Schwingesbauer berichtet über das Zustandekommen ihres Buches.