DGG-Buchpreis 2022

„Die Welt in voller Blüte. Eine botanische Entdeckungsreise zu den schönsten Blütenpflanzen der Welt“ BLV BUCHVERLAG, München.

Till Hägele ist Leiter der Gewächshäuser im Botanischen Garten in München, der Leserinnen und Leser einlädt zu einer spektakulären Blütenreise rund um die Welt.

Auf der Suche nach außergewöhnlichen Blütenpflanzen nimmt Hägele mit auf seine persönlichen Streifzüge zu Orten und Pflanzen. Sie durchstreifen mit ihm Nationalparks, Botanische Gärten, Arboreten sowie Garten- und Parkanlagen in verschiedenen Florenreichen der Welt. Sie folgen ihm von den Wüsten Kaliforniens zur Westküste der USA und über China, Japan und Südkorea bis nach Australien. Er lässt bei der Lektüre eintauchen in die Pflanzenwelt der asiatischen und afrikanischen Kontinente und lässt die Faszination der Karibik erleben. Er beschreibt Brasilien als das mit 55.000 Blütenpflanzen, darunter viele Orchideen, artenreichste Land der Erde und verweist auf die zunehmende Bedrohung der Artenvielfalt durch Landumwandlung.

Hägele erzählt auch von blühenden Verkehrsinseln und Straßenrandstreifen, Gewürzpflanzen und Alltagsgegenständen aus Pflanzenfasern. Unterhaltsam verbindet er Empfehlungen für landestypische Speisen und Getränke mit Geschichten über Pflanzensammler, die unsere Kübel- und Zimmerpflanzen einst nach Europa brachten. Sie erfahren woher das Superfood Chia stammt und welche Nahrungs- und Medizinalpflanzen die Cahuilla Indianer verwenden, aber gleichfalls wie sie sich in den, von Hägele besuchten, Reiseländern verständigen können und auf was sie achten sollten, um mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen.

Seine Empfehlungen auf weiterführende Fachliteratur und Sehenswertes aus aller Welt machen Lust auf eigene Entdeckungen. Wussten Sie zum Beispiel, dass Singapur unter dem Motto „Stadt im Garten“ bereits seit den 1960er Jahren das Ziel verfolgt, die grünste Stadt der Welt zu werden und dass man am Flughafen dort mit einem 40 Meter hohen Indoor-Wasserfall begrüßt wird? Oder, dass es in dieser Stadt das größte Gewächshaus der Welt mit weit über 32.000 Pflanzen gibt?

Doch bevor man mit Hägele auf botanische Entdeckungsreise geht, lässt sich Wissenswertes über die Bedeutung, Symbolik und Botanik von Blütenpflanzen erfahren. Blumen sind Zeichen der Liebe und Attribute des religiösen Glaubens. Blüten schmücken Feste, Anlässe und Feiertage. Sie begleiten uns ein ganzes Leben lang, von der Geburt bis hin zum letzten Geleit. Blüten sind aber nicht nur ein nonverbales Kommunikationsmittel mit starkem Symbolcharakter. Sie sind ein wichtiger Wirtschafts- und Umweltfaktor, für den wir beim Kauf vermeintlich günstiger Massenware einen hohen Preis bezahlen. Hägele hält den Leserinnen und Lesern mit kurzen Sequenzen die Zerstörung von Natur, die Ausbeutung von Menschen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und den Verbrauch von Trinkwasser vor Augen und plädiert für einen ökologischen Anbau und nachhaltiges Einkaufen.

Doch wozu bilden Pflanzen überhaupt Blüten aus? Auch diese Frage beantwortet der Botaniker und gibt faszinierende Einblicke in die ausgeklügelten Methoden der Pflanzen, Insekten anzulocken. Um von ihnen bestäubt zu werden, haben sie sich mit unterschiedlichen Blütenformen ob Rachen, Röhren oder Kesselfallen angepasst. Da sich aus bestäubten Blüten bekanntlich Früchte und Samen entwickeln, wird auch dieses Thema von Hägele aufgegriffen. Er skizziert, dass der Mensch an der Verbreitung der Pflanzen beteiligt ist, indem er ortsfremde Pflanzen in andere Ökosysteme ansiedelt. Was bei Agrar- und Gartenpflanzen akzeptiert und gefördert wird, kann bei den Pflanzen problematisch sein, welche die jeweils heimische Flora auf invasive Art verdrängen und Habitate gefährden. Damit überrascht Hägele Leserinnen und Leser und gibt Impulse zum Nach- und Umdenken.

Im Praxisteil seines Buches gibt Hägele nützliche Tipps zur Kultivierung von Pflanzen, damit sich die Schönheit der Blüten auch zu Hause erleben lässt. Er gibt Pflanz- und Pflegeanleitungen für ausgewählte Kübel- und Zimmerpflanzen und motiviert dazu, exotische Schnittblumen wie Freesien und Gladiolen selbst anzuziehen. Till Hägele gibt mit seinem Buch eine Vielzahl von Impulsen, die Pflanzenwelt genauer zu betrachten, und macht Lust, selbst auf botanische Streifzüge zu gehen – ob auf Reisen in ferne Länder, in Botanische Gärten, in der Natur, im eigenen Garten, auf dem Balkon oder zu Hause auf dem Fensterbrett – überall lassen sich faszinierende Blüten entdecken. Das Buch ist in hochwertiger Leinenoptik eingebunden, liebevoll gestaltet und mit eindrucksvollen Abbildungen illustriert. Es ist ein wunderbares Geschenk für Pflanzenliebhaber oder für sich selbst mit inspirierenden und nachdenklichen Einblicken in die Geheimnisse der Blütenpflanzen dieser Welt. (bw)

TOP 5 der besten Gartenbücher

Mein Garten im Wandel des Zeitgeistes und des Klimas. ÖKOLOGISCH, PFLEGELEICHT, STILBEWUSST

Peter Janke, ein auch international beachteter Gartendesigner, beschäftigt sich in seinem aktuellsten Werk mit dem Garten, genauer seinem eigenen 14.000 qm großen, im Westen Deutschlands gelegenen Garten HORTVS, im Wandel von Zeitgeist und Klima – und ebenfalls im Wandel der Jahreszeiten.

Um es gleich vorab zu sagen: Das Buch ist ein einzigartiger Genuss, der schon beginnt, wenn man willkürlich eine Seite aufschlägt und sich beim bloßen Blättern darin fortsetzt. Da sind die atemberaubenden Fotos von Jürgen Becker, eines schöner als das andere, die mal den Garten von Peter Janke im großen Ganzen, mal im kleinen Blütendetail in Szene setzen; dabei unterstreicht die feine Fotosprache Beckers, wie sehr Peter Janke mit Pflanzen die unterschiedlichsten Gartenbilder zu malen vermag, in jedem Gartenwinkel ein anderes, zu jeder Jahreszeit ein herrlicher Ausdruck von Farbe, Struktur und Zeichnung – und wenn man dann die Texte des Autors liest, setzen sich diese Gartenbilder in ebenso bunten Worten fort.

Auf gleichermaßen ästhetische und praktische Weise lädt Peter Janke in seinem Buch ein, sich mit dem in ständigem Wandel befindlichen Garten zu beschäftigen – ein Wandel, der durch die aktuelle Klimakrise den Garten auf besondere Weise betrifft. Auch Peter Jankes Garten HORTVS unterliegt diesem Wandel und er dokumentiert ihn kapitelweise auf monatlichen Spaziergängen durch seinen Garten – Monat für Monat, beginnend im März, streifen wir mit ihm durch seinen Kies- und Heide-Garrigue-Garten, vorbei an Silber- und Bronzegarten, verweilen kurz am Wiesenkreis und Waldsaum, um schließlich über den Birkenhain zum Teich zu gelangen.

Dabei beschreibt der Autor in Worten und Bildern, wie sich sein Garten darstellt, was funktioniert und was nicht (mehr) und wo er ganze Bereiche im Zug zunehmender Trockenheit umgestalten musste, etwa schon im Frühling vertrocknete Rasenflächen durch trockenresistente Heide- und Garriguepflanzen zu ersetzen – denn eine Zusatzbewässerung entspräche nicht dem ökologischen Bewusstsein Jankes. Dabei musste er sich natürlich auch schweren Herzens von manchen Pflanzenfreunden trennen, Opfer des Wandels – auch davon erzählt das Buch.

Ja, die Pflanzen liegen Peter Janke ganz besonders am Herzen: Sorgfältig wählt er für jeden der verschiedenen Standorte seines Gartens diejenigen aus, die sich dort auch tatsächlich wohlfühlen, weil es ihrer ganz eigenen Natur entspricht. Und so schaut man dem Autor bei seinen monatlichen Spaziergängen durch HORTVS gern über die Schulter und hört ihm neugierig zu, nimmt jede Menge Anregungen mit für seinen eigenen Garten.

Doch das ist noch nicht alles, was das Buch draufhat: In jedem Monat stellt der Autor Pflanzenlieblinge vor, wieder unter dem Aspekt der verschiedenen Standorte und in Zeiten von Klimawandel: Im März etwa kann sich das Auge der Rezensentin nicht sattsehen an den herrlich schönen Teppichen von grünen und weißen, schwarzen, roten, rosa, apricot und auch gelben Helleborus-Blüten, vorgestellt mit jeweils passenden Begleitpflanzen.

Auf Extraseiten streut Peter Janke weiteres Praxiswissen ein, etwa wie man im Garten ökologisch sensibel gärtnert, also wie er komplett auf die verharmlosend Pflanzenschutzmittel genannten Gifte oder mineralische Dünger verzichtet – schon beim März-Spaziergang hat man erfahren, dass Peter Janke in diesem ersten Monat des Frühlings alles über den Winter verbliebene Verwelkte von nicht-immergrünen Stauden und Gräsern abschneidet, natürlich erst, nachdem er sich vergewissert hat, dass darin auch nichts Lebendiges mehr ruht, und nach dem Häckseln wieder auf die Beet ausbringt – Düngen nach dem Vorbild der Natur.

Hängen geblieben ist der Rezensentin auch die Passage übers „Layering“: Damit gemeint ist das Pflanzen in Lagen, was in der Natur gang und gäbe ist, denkt man nur an die bunten Teppiche aus Frühblühern unter Waldbäumen vor deren Laubaustrieb. Peter Janke praktiziert dieses natürliche Miteinander von verschiedenen Pflanzen am selben Ort und wenn er dann auf vier Seiten sieben verschiedene Layering-Prinzipien praktisch und mit Pflanzenbeispielen vorstellt, taucht unweigerlich der eigene Garten vor dem inneren Auge auf und man beginnt im Geiste schon die Pflanzenbeispiele des Autors umsetzen.

Schließlich endet jeder Monat mit einem umfassenden Praxisteil mit anstehenden Pflegemaßnahmen, auch wieder jede Menge Lehrstunden mit Aha-Effekten. Und weiteres Bonbon findet man auf dem Vorsatz: Alle im Buch erwähnten Pflanzen gibt es auf einer kostenlos zur Verfügung gestellten Garten-App. Fazit: Ein wahrhaft tolles Buch, das den Gartenfreund das ganze Jahr über begleitet und dem man ganz viele Leser*innen wünscht! (bo)

Sissinghurst. Der Traumgarten.

Der Hildesheimer Gerstenberg Verlag hat 2021 wieder zwei großformatige Bücher zur Gartenkultur vorgelegt, in die tiefgründige Leser wie gefühlsintensive Schauer einfach nur eintauchen können. „Die geheimen Gärten von Sommerset“ von Abigail Willis und „Sissinghurst – Der Traumgarten“ von Tim Richardson sind beide englischsprachige Publikationen, die 2020 in der Originalsprache bei Frances Lincoln in London erschienen sind und nun in deutschsprachiger Übersetzung vorliegen. Und beide Bücher sind hervorragend bebildert, so dass den jeweiligen Texten eine gleichwertige Fotoschiene zugeordnet ist. Der 224 Seiten starke Sissinghurst Band wird von dem renommierte Fotografen Jason Ingram inszeniert, der Fotografien für unzählige Gartenbuch Bestseller geliefert hat.

Für sein Gartenengagement wurde er von der britischen Garden Media Guild 2013, 2014 und 2019 zum Fotografen des Jahres gewählt. Seine Fotos leiten auch die die dreizehn Kapitel des Buches ein, die von einem Vorwort des Gartenkünstlers und Autors Dan Pearson, der den National Trust seit 2014 bezüglich Sissinghurst berät, einer Einleitung und einer Schlussstrophe gerahmt werden.

Nach einem Kapitel zum „Ankommen“ und Zur-Ruhe-Kommen in der Umgebung und vor dem Torhaus an der Anlage in der Grafschaft Kent, werden die einzelnen Gartenbereiche Sissinhursts nacheinander vorgestellt und beschrieben.

Angefangen beim Oberen Hof, dem Rosengarten und dem Frühlingsgarten über den Nussgarten, den Kräutergarten und dem Wassergraben führt der Weg über den Cottage Garten, den Obstgarten, zum Turm-Rasen, den Weißen Garten und Delos. Dazwischen wird auch dem literarischen Werk von Vita Sackville-West und dessen Bezug zum Gartenensemble von Sissinghurst ein eigenes „Intermezzo“ gewidmet.

Beiden Persönlichkeiten, der Schriftstellerin Vita Sackville-West (1892-1962) wie ihrem Ehemann, dem Diplomaten Harold Nicolson (1886-1968), ist es jedoch zu verdanken, dass sie aus dem 1930 gekauften Herrenhaus über Jahrzehnte zu einer Inkunabel der Gartenkunst gemacht haben, die bereits 1967 an den National Trust zur Erhaltung und Pflege überging.

Der Kunst- und Gartenautor Tim Richardson, der auch im Garten-Beirat des National Trust sitzt, beschreibt jeden der zwölf Gartenräume sehr kenntnisreich und detailliert. Trotzdem sind seine Texte nicht ermüdend; sie sind für Fachleute wie für Gartenliebhaber gleichermaßen interessant. Ein großer Übersichtsplan des Ensembles von Sissinghurst wie Detailpläne und ein umfangreiches Register, auch mit Pflanzennamen, runden das Buch ab. Die Begeisterung von Autor und Fotograf sind auf jeder Seite zu spüren und lassen den Leser eintauchen in die wundersame Welt der Garten- und Literaturkultur Sissinghursts und seiner Schöpfer. (ca)

TOP 5 der besten Gartenbücher

Selbstversorgung. Was im eigenen Garten wirklich möglich ist.

Was für ein erfrischend ehrliches Buch! Ralf Roesberger hegt keine Gartenträume, sondern schöpft die Erfahrungen, die er in seinem Buch weitergibt, aus der täglichen Arbeit im Garten. Selbstversorgung ist sicher ein Wunsch, der jemanden dazu verleitet, einen Garten zu pachten. Man hofft das Nützliche mit dem Schönen zu verbinden, zu säen und zu pflanzen, und dann mitzuerleben, wie die eigene Ernte heranwächst.

So ähnlich zumindest hat es bei Ralf Roesberger auch angefangen. Ein freundliches Umfeld für die Kinder war ein weiterer wichtiger Grund. Neben dem Kapitel, in dem er das beschreibt, steht ein kleiner Merksatz: „Erst denken, dann säen. Ein wenig planen muss man schon“. Damit wird angedeutet, wovon der Erfolg wirklich abhängt. Von Wissen, Erfahrung und persönlicher Anstrengung.

Dieser Grundgedanke, dass Erträge von Wissen, Erfahrung und Arbeit abhängen, taucht immer wieder im Buch auf. Und weil das so ist, wird auch offen über Arbeitserleichterung durch kleine Maschinen und über den Zeitaufwand gesprochen, den der Garten für die Selbstversorgung abfordert. „Die beste Ernte meines Lebens ist meine Frau. Sie fährt jeden Tag tapfer ins Büro und sichert unser Familieneinkommen, damit ich mich meinem Garten und der Selbstversorgung widmen kann.“

Ralf Roesberger hat einen großen Garten und er baut nicht nur Obst, Gemüse und Kartoffeln an, sondern hält auch Bienen und Hühner, Enten und Gänse. Das ist natürlich schon viel, aber sein Buch wäre sicher nicht vollständig, wenn er nicht auch über Grenzen der Selbstversorgung schreiben würde, Getreide zum Beispiel. Er hat es ausprobiert. Das Ausprobieren, seine Entdeckerfreude, spiegelt sich an vielen Stellen wieder, aber er ist eben auch ganz ehrlich und sagt zu manchem: „Nein, es hat nicht funktioniert.“ Zu dieser Ehrlichkeit gehört auch, dass er nicht alles mitmachen muss, was gerade in Trend ist. Hochbeete können Vorteile haben, aber seine Frage, ob diese den Bauaufwand und den Verbrauch von Material lohnen, ist auch gerechtfertigt. Und Kompost gelingt auch ohne Kompostbeschleuniger, auch eine geldsparende Erkenntnis. Alles in allem, Ralf Roesberger weiß, worüber er schreibt. Das Buch ist allen, die sich mit dem Gedanken tragen, sich wenigstens ein wenig selbst zu versorgen, dringend zu empfehlen. (ih)

Wie du dein eigenes Saatgut gewinnst –und so ein kleines Stück Welt rettest. alte Sorten erhalten, Pflanzenvielfalt feiern, unabhängig sein

Beim Aufschlagen des Buches fällt ein kleines Faltkärtchen des Verlags und der Druckerei heraus, auf dem zu lesen steht, dieses Buch ließe sich komplett kompostieren. Hier merkt man schon, die Autorin und ihr Verlag meinen es ernst! Ökologie in Reinform und radikal also. Bereits auf Seite 11 wird Hans Jonas zitiert mit seinem ökologischen Imperativ: „Handle so, dass Auswirkungen dieses Handelns verträglich sind mit dem Fortbestand menschlichen Lebens auf Erden.“

Die Gewinnung von Saatgut, ob von einigen Topfpflanzen auf dem Fensterbrett oder aus einem größerem Garten, hat wirklich zu tun mit einem Stück Weltrettung. Es geht schlicht und ergreifend um den Erhalt einer möglichst großen Biodiversität in einem Bereich, den wir selbst in der Hand haben. Seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, schreibt Sigrid Drage, sind bereits 75% der bis dahin gezüchteten Kulturpflanzensorten verschwunden. Dies ist Saatgutgesetzen und bürokratischem Eifer von Prüf-, Kontroll- und Zulassungsstellen für Pflanzensorten, vor Allem jedoch der Profitgier von Saatgutkonzernen geschuldet, die sich Patente auf die von ihnen entwickelten gentechnisch modifizierten Saatgute sicherten und die dazu notwendigen Pestizide, Herbizide und Fungizide gleich mitlieferten.

Spätestens hier wird klar, wie zwingend notwendig die vorgelegte Publikation Sigrid Drages ist. Ihre wesentliche Botschaft ist „…wir müssen freies, samenechtes Saatgut und einfaches Vermehrungswissen zurück in die Hausgärten und den Alltag holen.“ Bei in Gartencentern und Supermärkten erhältlichen Sämereien handelt es sich zumeist um sogenannte F1-Hybridsamen. Diese bilden Pflanzen aus, die geschmacklich eher arm sind und weniger sekundäre Pflanzenstoffe und Vitamine enthalten. Die Samen dieser Pflanzen sind nicht mehr keimfähig. Das heißt: ohne Saatgutgewinnung von samenechten Pflanzen endet hier die Evolution sowie die Ernährungssouveränität. „Ernährungssouveränität ist das Recht der Völker auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung…Ernährungssouveränität stellt die Menschen, die Lebensmittel erzeugen, verteilen und konsumieren ins Zentrum der Nahrungsmittelsysteme, nicht die Interessen der Märkte und transnationalen Konzerne.“ (S. Drage zitiert die Deklaration des weltweiten Forums für Ernährungssouveränität, Mali, Februar 2007)

Das Buch der promovierten Ökologin und Permakulturspezialistin wendet sich vor Allem an die 36 Millionen (Quelle: Bundesumweltministerium) Bundesbürgerinnen und -bürger, die Zugang zu einem eigenen Garten haben. Die erste Hälfte des 233 Seiten starken Bandes klärt umfassend über vorgenannte Problemkreise und die Grundlagen der Permakultur im Verbund mit der autarken Sämereigewinnung sowie alternativen Pfanzenvermehrungsarten auf. Die Texte sind klar und verständlich verfasst und somit auch für Anfänger eine gute Heranführung an das Thema.

In der zweiten Hälfte haben wir ein profundes Nachschlagewerk zu über 70 Pflanzen mit detaillierter Anleitung zu deren Vermehrung vor uns. Phillip Putzers Farbfabrik hat das Buch angenehm abwechslungsreich gestaltet. Die lebendigen Fotos der Autorin und von Fabian Weiss lassen den Betrachter an der heiteren Freude des Gartenschaffens intensiv teilhaben. (nb)

Geht die Fernsehkamera an, geht die Komplexität meist aus. Möglichst einfach und bunt, so scheint die Devise, möglichst eingängig und bildstark. Und meistens nur ein kurzes Häppchen, damit die Aufmerksamkeitsspanne nicht strapaziert wird.

Dass hinter ein paar Minuten Fernsehbeitrag immens viel Arbeit und Organisation steckt, ist halbwegs bekannt. Dass dahinter aber herrliche Geschichten lauern, die es wert sind, erzählt zu werden, kommt nicht so oft in den Sinn. Sabine Platz’ Buch überrascht genau damit: mit den Geschichten hinter den so kleinen wie aufwändigen Fernsehbeiträgen, mit der Fülle von Freuden und Leiden, von Fantasiestücken, Enthusiasten und Knarzköpfen, die rund um den Garten existieren.

Die Fernsehjournalistin Sabine Platz ist bekannt aus dem ZDF-Morgen und -Mittagsmagazin, hat die Formate „Platz im Garten“ oder – durch die Pandemie bedingt – „Platz zu Hause“ entwickelt, und ihre Arbeit besteht darin, Menschen zu treffen um sie und ihre Leidenschaften und Themen in Reportagen darzustellen.

In aller Bescheidenheit sagt die Autorin von vornherein: nicht sie ist es, die Expertin ist, es sind immer die Menschen, die sie bei ihrer journalistischen Arbeit getroffen hat: Gartenenthusiastinnen und Gärtner, Biotannenbaumproduzenten und Organisatorinnen von Bundesgartenschauen ihnen gibt sie in ihrem Buch Raum und es ist ebenso lustig wie rührend mitzuerleben, wie Sabine Platz sich anleiten und anstecken lässt – bis hin zur eigenen Gartenliebe.

Sie selbst hat einen 800 Quadratmeter großen Garten, gehört zu jenen Late Bloomern, wie Marketingexperten sagen, also zu den Menschen, die erst mit fortschreitendem Alter zum Gärtnern finden. Heute, mit gut fünfzig ist ihr der Garten tägliche philosophische Schule und Fitnessstudio. Sabine Platz nimmt uns mit in ihr Leben – in die Renovierung einer baufälligen Villa, zum Glück einer üppig blühenden Cymbidie im kühlen Wintergarten, zu den Mühen eines überbordend tragenden Apfelbaums oder in die kleinen Neckereien mit ihrer pubertierenden Tochter.

Wir erleben, wie Piekarski ihr das Salatziehen beibringt. Oder wie sie es bereut, die Tomaten ihrer gerade verstorbenen Großmutter nicht aus deren Garten gerettet zu haben: „Einer der dümmsten Fehler meines Lebens.“ Eigenes Erleben verknüpft Sabine Platz mit Dreh-Ausflügen zu den Experten. Etwa zu dem ostwestfälischen Obst-Arboretum eines Apfelversessenen Landwirts: über 350 verschiedene Apfelsorten sind allein hier versammelt, deutschlandweit soll es über 3.000 geben – solche und andere Spezialfakten bekommen Leserinnen und Leser von Sabine Platz en passant mitgeliefert.

Überhaupt versteht sie es, in unterhaltsamen, oft witzigen, oft auch tiefgründigem Ton Wissen zu vermitteln und den Fokus auf die verbindende Kraft des Gärtnerns zu richten, nah am Menschen und freigiebig von sich selbst erzählend. „Beim Schreiben muss ich Bilder durch Worte kreieren, sie lebendig und anschaulich in Schriftform aufs Papier bringen. Fernsehen mit Buchstaben sozusagen. Ich hoffe, das ist mir gelungen.“ Das Kuratorium Buchpreis der DGG ist überzeugt, dass Sabine Platz eben dies gelungen ist. Dass aus Bildern gute Bücher werden, ist nicht oft der Fall. (ks)