„Wir haben uns auf den Weg gemacht“, dieser Satz zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung „Mehr Biodiversität mit heimischen Wildpflanzen“, zu der die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. (DGG) am Montag, den 4. März 2024, in Großbeeren eingeladen hatte. Mehr als 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Kommunen, Grünflächenämtern, Verbänden und Initiativen stellten ihre Projekte in Berlin und Brandenburg vor und tauschten sich über heimische Wildpflanzen und ihren Nutzen für artenreiche Gärten und Grünflächen aus. Fest steht: Heimische Wildpflanzen wie Natternkopf, Wilde Möhre und Wiesen-Flockenblumen helfen Insekten Nahrung und Lebensräume zu finden und sind eine Bereicherung für das öffentliche Stadtgrün wie auch für Gärten und Balkone.
Auf Einladung der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e. V. diskutierten am 4. März 2024 mehr als 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Kommunen, Verbänden, Wissenschaft und dem Garten- und Landschaftsbau über heimische Wildpflanzen im Stadtgrün. Die Referentinnen und Referenten spannten in ihren Impulsen den Bogen von der Wildpflanzenproduktion über naturnahen Grün auf dem Balkon und auf dem Dach bis zu Wildpflanzenbeeten in der Stadt. Die im Bundesprogramm Biologische Vielfalt geförderte Kampagne „Tausende Gärten – Tausende Arten“ stellteMitmachmöglichkeiten für Kommunen, Unternehmen und Hobbygärtnerinnen und Hobbygärtner vor. Die Veranstaltung fand in der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau und Arboristik (LVGA) e.V. in Großbeeren statt, die seit dem vergangenen Jahr einen Lehrgang für Gärtnern zur Förderung der Biodiversität anbietet.
Axel Vogel, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg, betonte in seinem Grußwort die Bedeutung heimischer Wildpflanzen für die Biodiversität: „Wir brauchen artenreiche öffentliche Grünflächen und naturnahe Gärten mit heimischen Wildpflanzen. Sie steigern nicht nur die Lebensqualität, sondern sind vor allem Lebensraum und Nahrungsquelle für Wildbienen, Schmetterlinge und Vögel. Ich freue mich deshalb, wenn sich Kommunen und die Menschen vor Ort für die Biodiversität engagieren. Um dieses Engagement zu unterstützen, organisiert das Umweltressort in diesem Jahr einen Workshop zur „insektenfreundlichen Bewirtschaftung von kommunalen Grünflächen“ und informiert mit Broschüren und Handbüchern zum insektenfreundlichen Gärtnern und zur Grünpflege.“
Britta Behrendt, die Staatssekretärin für Klimaschutz und Umwelt des Landes Berlin, nahm am frühen Nachmittag an der Podiumsdiskussion „Akzeptanz für naturnahe Flächen schaffen – Strategien zur Einbindung und Aktivierung der Stadtgesellschaft “ teil. Sie sagte: „Wir packen die Aufgabe an. Berlin möchte die biologische Vielfalt effektiv fördern und dem Artensterben entgegentreten. Dazu setzen wir in den nächsten Jahren auf mehr Wildpflanzen und die Erhöhung einer ökologischen Pflege im öffentlichen Grün.“ Iris Bechtold leitet die Umwelt- und Naturschutzbehörde in Treptow-Köpenick und betonte wie wichtig es ist, die unterschiedlichen Akteure an einen Tisch zu bringen und Engagement zu fördern. Andrea Zwingelberg ist im Vorstand des Beamtenwohnungsvereins zu Köpenick, der eine naturnahe Gartenanlage für Mieterinnen und Mieter geschaffen hat, die von „Tausende Gärten – Tausende Arten“ prämiert wurde.
Prof. Dr. Klaus Neumann, der Präsident der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e. V. schilderte in der Diskussion wie vielfältig die Möglichkeiten auch für die Grünflächen von Sportvereinen, Schulen und öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Altenheime sind. „Tun wir gemeinsam etwas für die Biodiversität. Jeder Quadratmeter zählt. Schaffen wir mit heimischen Wildpflanzen neue Lebensräume für Insekten und das Wohlbefinden der Menschen.“
DGG-Geschäftsführerin und Projektleiterin Bettina de la Chevallerie: „Wir freuen uns über den Zuspruch an unserer Kampagne, der sich bundesweit in naturnah umgesetzten Flächen zeigt. Jetzt muss der Bedarf an heimischen Wildstauden gedeckt werden.“
„Knackpunkt ist die Frage, wo Menschen heimische Wildstauden kaufen können. Deshalb freuen wir uns, über Gärtnereien und Gartencenter, die Wildstauden produzieren und vermarkten“, so Stefan Schuller, Projektmanager für den Bereich Gärtnereien und Gartenmärkte im Projekt „Tausende Gärten – Tausende Arten“. Die Bezirksgärtnerei Charlottenburg-Wilmersdorf hat sich auf den Weg gemacht und produziert Wildstauden. Jochen Flenker, Grünflächenamtsleiter des Bezirks, hatte die Idee. Für dieses Jahr haben fünf weitere Berliner Bezirke Interesse an Wildstauden angemeldet – der Bezirk stellt auch Initiativen Wildstauden zur Verfügung.
Christina Grätz, Geschäftsführerin von Nagola Re, erklärte wie regionales Wildpflanzensaatgut zertifizierter Herkunft produziert wird und welche Flächen in Brandenburg schon mit Wildpflanzen renaturiert oder bepflanzt wurden – ob in ehemaligen Tagebaugebieten oder auf dem Friedhof – Wildpflanzen werten Flächen zu wertvollen Biotopen auf und anfängliche Skepsis kann sich in Begeisterung wandeln, wenn die Menschen mitgenommen werden.
„Engagement durch Auszeichnungen unterstützen und so positive Beispiele schaffen, die zum Selbermachen inspirieren“, sagte Andrea Muno-Lindenau vom Wissenschaftsladen Bonn, als sie die Prämierung von Privatgärten, Balkonen, kommunalen Grünflächen und Firmen vorstellte. Martin Hering hat sich gemeinsam mit seiner Frau auf den Weg gemacht und bei Wandlitz ein Refugium für Wildbienen geschaffen, das von „Tausende Gärten – Tausende Arten“ im vergangenen Jahr mit Gold prämiert wurde.
Birgit Schattling, die Organisatorin des Bio-Balkon-Kongresses, zeigte wie sie auf ihrem Balkon im sechsten Stock in Berlin hunderten verschiedenen heimische Pflanzen eine Heimat gibt und nicht nur von zahlreichen Insekten, sondern auch von Eichhörnchen, Vögeln und Stockenten Besuch in luftiger Höhe bekommt. „Ich bin davon überzeugt, dass jeder Balkon, jedes Fensterbrett und jeder Meter Platz zählt“, so Schattling.
Cornelis Hemmer von der Stiftung für Mensch und Umwelt, zeigte wie lebendig die Grünflächen von Wohnquartieren werden können, wenn Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften umdenken. Aus kurzem Rasen und akkurat geschnittenen Hecken werden „Piko-Parks“ mit Trockenmauern, Wildpflanzen und Schautafeln, die die Mieterinnen und Mieter gerne annehmen. Er und andere Referentinnen und Referenten betonten wie wichtig es sei die Menschen von Anfang an in Umgestaltungsprozesse mit einzubeziehen.
Amelie Hüneburg vom Bundesverband GebäudeGrün zeigte wie Dachgärten und Fassadenbegrünung zu Hinguckern und einem Gewinn für die Artenvielfalt werden können.
Auch Ausbildung, Mähverhalten und das Wissen über Pflanzenverwendung müssen sich ändern, betonten Thomas Bierig, Ausbilder der LVGA-Großbeeren und Gartengestalterin Luise Blank in ihrem Impuls. Insektenforscher Dr. Frank Koch bekräftigt dies. Er untersucht seit Jahren die Mittelstreifen von Hauptverkehrsadern wie Heerstraße, Frankfurter Allee oder Adlergestell in Berlin – dort wo erst im späten Herbst gemäht wird, leben hunderte verschiedener Insektenarten – darunter auch viele, die auf der Roten Liste stehen und vom Aussterben bedroht sind.
Oliver Hoch, Geschäftsführer des Fachverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin und Brandenburg, betonte, wie wichtig und schnell Pilotprojekte sein können. Bis Lehrpläne und Ausbildungsverordnungen angepasst sind, dauere es manchmal Jahre, aber ein Pilotprojekt sei innerhalb weniger Monate auf dem Weg. „Wir müssen Lernorte schaffen“, so Hoch. Deshalb fördert die Bildungsstiftung Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau die Ausbildung von Auszubildenden aus Galabau-Betrieben am Wildpflanzenbeet am Monbijou-Platz in Berlin Mitte.
Fred Schenk vom Landesverband Brandenburg der Gartenfreunde brachte es am Ende der Veranstaltung auf den Punkt: „Was kann ich dafür tun, dass es bei mir im Garten wimmelt?“ – eine ganze Menge, das hat die Veranstaltung gezeigt.
„Einfach mutig sein und sich auf den Weg machen, das ist der Schlüssel für eine Veränderung im Stadtgrün“, so Götz Stehr, der Vizepräsident der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft, der die Veranstaltung moderierte.