Die DGG im Gespräch mit … Matthias Ulmer

Der Verlag Eugen Ulmer feiert in diesem Jahr sein 150 jähriges Bestehen. Wir gratulieren Ihnen herzlich zu diesem Jubiläum. Auch die DGG, die sich ebenso dem Schwerpunktthema Gartenbau widmet, wird im Jahr 2022 ihr 200jähriges Bestehen feiern.


Aus dieser thematischen Verbindung heraus sind Sie, werter Herr Ulmer, seit 2011 im Beirat der DGG aktiv. Nun hat Ihr Verlag Eugen Ulmer, ebenso wie die DGG sich in den letzten Jahrzehnten stets dem Wandel der Zeit anpassen müssen. Denn auch vor einem altehrwürdigen Gartenbauverein wie der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft macht der Strukturwandel bzw. der demografische Wandel keinen Halt. In der vergangenen Beiratssitzung im Mai 2018 machten Sie deutlich, dass sich die DGG an die heutigen Gegebenheiten anpassen muss um weiter Bestand zu haben.

Welche Möglichkeiten sehen Sie für die DGG dem Strukturwandel stand zuhalten und auch morgen noch als Verein aktiv sein zu können?

Ich habe das Gefühl, dass die bisherige Rolle der DGG als eine Art Dachverband zur Bündelung von Interessen von anderen Vereinen immer weniger gebraucht wird. Das liegt an Veränderungen der Rolle der Verbände aber auch an Veränderungen bei der Lobbyarbeit. Die Neugründung nach 1945 in dieser Funktion entsprach durchaus der damals neu entstehenden Verbändelandschaft. Heute wird die Agenda der DGG (überspitzt gesagt) weniger von dringenden Wünschen und Forderungen der Mitglieder geprägt als eher von dem wachsamen Blick der Mitglieder, dass die DGG nichts tun möge, was mit eigenen Interessen kollidiert. Somit ergibt sich heute die Notwendigkeit und Chance zugleich, die DGG neu auszurichten.
Dazu gehört in meinen Augen zweierlei. Die DGG muss zunächst ihr Ziel neu fassen. In meinen Augen müsste das klassisch formuliert die Hebung der Gartenkultur sein. Wir schauen im Moment neidisch auf einige Nachbarländer, zu denen wir den Anschluss verloren haben. Es wäre ein Anknüpfen an den Gedanken der Gründer, wenn man sich dies zum Ziel setzt.Wenn das Ziel neu definiert ist, dann wird es um Wege und Maßnahmen gehen, dieses zu erreichen. Und es ist jetzt schon vorhersehbar, dass es dann um Finanzen geht. Die aktuelle Mitglieder- und Beitragsstruktur ist widersprüchlich und muss verändert werden.

Wenn man einen Dachverband betreibt, in dem es wenige Vereine als Mitglieder gibt, die selbst jedoch teilweise sechsstellige Mitgliederzahlen haben, dann müssen die Einzelbeiträge entsprechend hoch sein. Tatsächlich liegt der Beitrag für Vereine und Institutionen aktuell aber bei 250 Euro. Ich plädiere dafür, die DGG wieder stark als Verein mit persönlicher Mitgliedschaft auszurichten. Ein emotionales Thema ermöglicht und erfordert die persönliche Mitgliedschaft. Dass es dennoch institutionelle und Fördermitglieder geben soll, das widerspricht dem nicht.Es würde eine Weile dauern, bis das Profil der DGG so erneuert und geschärft ist, dass man aktiv und überzeugend um Mitglieder werben kann. Bis dahin muss man eine Übergangsphase planen. Ich hoffe, dass in dieser Übergangsphase bereits auf das Engagement der Mitglieder gebaut werden kann, die die Neuausrichtung unterstützen.

Das Arbeits- und Freizeitverhalten der Menschen heutzutage hat sich gewandelt. Wo früher eine Mitgliedschaft in einem Verein abgeschlossen wurde, stehen heute viele Alternativen zur Verfügung seine freie Zeit zu nutzen und an Informationen zu kommen. Internet, Fernsehen oder kommerzielle Angebote wie Shopping stehen in Konkurrenz zu einem freiwilligen Engagement.

Wie können junge Mitglieder für mehr Engagement im Verein gewonnen werden?

Ich glaube nicht, dass wir eine Parteien- oder Vereinsmüdigkeit haben. Es geht vielmehr um die Frage, wie diese Vereine organisiert sind und welche Ziele sie verfolgen. Es wird lamentiert, dass es immer schwerer sei, junge Leute für ehrenamtliche Arbeit zu gewinnen. Auch das stimmt nach meiner Erfahrung nicht. Wir beobachten ein ungeheuer großes und auch selbstloses Engagement bei jungen Leuten. Nur engagieren sie sich für andere Ziele. Und die Form des Engagements hat sich verändert. Das Vereinswesen ist schon vereinsrechtlich in einer bestimmten, sehr deutschen, Form organisiert. Aber diese Vereinsmeierei schreckt ab. Und auch die Bindung an eine hierarchische Organisation zieht junge Menschen nicht an. Sie wollen sich für Werte einsetzen, für Ideale. Dafür wollen sie sich aber nicht auf fünf Jahre in ein Amt verpflichten oder fünf Jahre dienen, bevor sie in ein Amt aufrücken. Sie wollen ab dem ersten Tag da sein, sich engagieren und wieder aussteigen können, wenn das für sie nicht mehr passt. Die Struktur von Vereinen muss sich dem genau so anpassen, wie Parteien oder auch Unternehmen. Wir müssen klare Projekte formulieren, müssen Personen damit betrauen, denen das Projekt wichtig ist, die selbstorganisiert ihr Projekt vorantreiben um es dann den anderen zu präsentieren. Gerade im Seminar- und Konferenzwesen wurden in den letzten Jahrzehnten sehr viele neue Formate entwickelt, die auch für die Vereinsorganisation die Richtung vorgeben.

Die Gartenkultur hat über die Jahrhunderte tiefe Wurzeln geschlagen. Sie scheren aus in unterschiedliche Richtungen. Wo liegt Ihrer Ansicht nach der Fokus der Gartenkultur des 21. Jahrhunderts?

Der Kern der Gartenkultur verändert sich vielleicht gar nicht so sehr. Da dreht es sich um drei ideale Gärten: den wild-romantischen kleinen Garten, der als Spiegel des Ich Rückzugsraum ist, Geborgenheit gibt und intime Beziehungen zu Freunden und Familie zulässt. Dann kommt der repräsentative private Garten, der sozusagen der Raum für das Fremde im Privaten, der Platz für das Äußere im Inneren ist. Und schließlich gibt es noch den öffentlichen Park, der der Raum für den Einzelnen im Äußeren ist.
Alle drei Idealgärten werden von jeder Epoche neu interpretiert und in dieser Interpretation kehren bestimmte Themen immer wieder, wechseln sich ab. Das Leitthema dabei ist vielleicht der Wechsel von Kultur und Natur. Und dieses Verhältnis muss immer neu austariert werden, entsprechend den Zeitproblemen.Wie oben beschrieben erleben wir gerade eine Auflösung und Neudefinition von Institutionen. Und zu diesen gehören auch Begriffe wie Eigentum, Öffentlichkeit, Gemeinschaft etc. Ich vermute, dass das Spannungsfeld Garten und Soziologie die größten Veränderungen bringt, dass die Begrünung des öffentlichenRaumes neu definiert wird, gerade weil die Nutzung des öffentlichen Raumes auch neu definiert werden wird. Stellen Sie sich vor, welche Veränderung unseren Städten bevorsteht, wenn wir den Personennahverkehr nachhaltig und effizient neu regeln. Dann müssten riesige Flächen frei werden, die den Charakter der Innenstädte ganz neu bestimmen. Und wenn der Einzelhandel – wie zu befürchten steht – zu großen Teilen ins Internet abwandert, dann werden Innenstadtbereiche leer, die ganz neuen Nutzungen zugeführt werden müssen und damit das städtische Leben uminterpretieren. All das macht erforderlich, dass das Thema Garten von allen wissenschaftlichen Positionen, von allen gesellschaftlichen Perspektiven und alle kreativen Ansätzen her durchdacht wird, um diese Entwicklung aktiv und positiv begleiten zu können. Im Moment sehe ich niemanden, der das aktiv tut. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass man dafür begeisterte Mitstreiter findet. Und wenn die Richtung der Gartenkultur eine ganz andere werden sollte, dann wird auch diese bestimmt zur Mitarbeit motivieren.


Wie kann es gelingen die DGG-Themen an eine breite Öffentlichkeit zu tragen?

Das Thema Garten leidet ja nicht unter einem Mangel an Aufmerksamkeit. Es gibt dafür Rubriken in Tageszeitungen, es gibt Publikums- und Fachzeitschriften, Blogs, Communities, Bücher, Radiosendungen, Fernsehsendungen, Gartenreisen, Gartenvereine, Festivals, Kongresse, Seminare und Messen. Und jeder nimmt in seinem Medium sehr gerne einen wichtigen, innovativen, originellen, bemerkenswerten Beitrag auf. Denn alle diese Medien wollen zum grünen Thema etwas übermitteln und leiden eher darunter, dass ihnen zu wenig Mitteilenswertes geboten wird. Und dann suchen sie nach Trends, weil das am schnellsten und einfachsten geht.
Wenn wir ein klares Ziel haben und es uns gelingt, die genannten Medien für dieses Ziel zu begeistern, dann werden wir kein Problem haben, an die Öffentlichkeit zu kommen. Dafür müssen wir früh über die richtigen Zielgruppen, die geeigneten Medien und die jeweils angemessenen Partnerschaften nachdenken. Denn auch diese Kommunikation soll ja nicht ein kurzes Feuerwerk werden, sondern auf Nachhaltigkeit angelegt sein.


Kurzprofil Matthias Ulmer

Matthias Ulmer (1964), Geschäftsführender Gesellschafter Verlag Eugen Ulmer

Nach der Ausbildung zum Verlagsbuchhändler und dem Studium der Volkswirtschaftslehre gründete Matthias Ulmer 1992 Les Editions Eugen Ulmer, einen Verlag für Garten, Natur und Tiere als Tochterunternehmen des Verlag Eugen Ulmer in Paris. Nach fünf Jahren wechselte Matthias Ulmer in die Leitung des Buchverlags in Stuttgart und übernahm 2007 nach dem Ausscheiden von Roland Ulmer die Geschäftsführung.Der Verlag Eugen Ulmer, gegründet 1868, ist ein Fachverlag für Landwirtschaft, Gartenbau, Natur, Garten und Tiere. Neben 23 Zeitschriften sind aktuell etwa 2.000 Buchtitel lieferbar. Neben seiner Funktion als Geschäftsführer vom Verlag Eugen Ulmer und Les Editions Eugen Ulmer ist Matthias Ulmer u.a. noch Vorsitzender des Verlegerausschusses und Mitglied des Vorstands des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und stv. Vorsitzender des Beirats der Deutschen Nationalbibliothek.

Bild: Eugen Ulmer KG